Unter Bonner Dächern - "Genossenschaft ist Machbar, Herr Nachbar"

 

 

Unter Bonner Dächern

Wohnen, steuern, gegensteuern - Bürger machen Sachen selbst

 

Die Spatzen pfeifen es in Bonn seit Jahren von den heiß begehrten Dächern überm Kopf: In Bonn herrscht Wohnungsmangel. Genauer gesagt, Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wo Mangel ist, steigen die Preise, so sind die Gesetze des freien, eines deregulierten Marktes, und dereguliert ist der Markt in Bonn seit Langem.

Dass - wie es in vielen Städten der Fall war - vor Jahren erhebliche Teile öffentlichen Wohnungsbestands verkauft wurden (SPD-Mann von Grünberg mahnte damals, SPD-OB Dieckmann aber verkaufte) und später zu wenig sozialer Wohnungsbau erfolgte, rächt sich heute bitter, und zwar für Familien mit kleinem oder mittlerem Einkommen. Die horrenden Mieten in unserer Stadt sind für Otto und Lieschen Normalverbraucher kaum erschwinglich:

ein großes Problem, ist ›Wohnen‹ doch kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis. Wenn eine Familie gezwungen ist, 60 oder sogar mehr Prozent des Einkommens fürs Wohnen auszugeben, kann sie nicht nur leicht in finanzielle Nöte geraten - es schadet insgesamt auch dem sozialen Frieden, wenn es  auf dem Markt nicht mehr mit (ge)rechten Dingen zugeht.

So viel zum Status quo, den die Parteien zur Kommunalwahl fast durchweg konstatiert und kritisiert haben. Was tun also? Was ›die Politik‹ (nun von der Wählerschaft frisch mandatiert) beschließt und unternimmt, ist eine Sache - dass die Bonner Bürgerinnen und Bürger für ihr berechtigtes Interesse auch selbst verstärkt eintreten, eine andere. In der Hinsicht tut sich allerlei in Bonn (siehe dazu auch den Beitrag des Kollegen Pierschke auf Seite 15).

Zur Planung des Bundesviertels ist aktuell ein Bürgerbegehren angestrebt, das die ursprüngliche Planung korrigiert: Die Initiatoren fordern, für das Gebiet und seine Neubauflächen einen deutlich höheren Anteil für das Wohnen (nämlich 75 Prozent) sowie eine Quote von 50 Prozent öffentlich geförderten Wohnungen auszuweisen.

Initiatoren: der Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg und Akteure des »Bündnisses für Wohnen in Bonn« (wohnraum-bonn.de).

 

Genossenschaft ist machbar, Herr Nachbar

 

Wenn man die Erklärung zum Selbstverständnis der »Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Bonn eG« (GWG) durchliest (siehe Kasten), findet man darin Grundsätze festgeschrieben, wie sie vorbildlicher nicht sein könnten. Festgeschrieben wurden diese Grundsätze vor gut 120 Jahren. 1898 wurde die Genossenschaft gegründet, die Maxime ›Gerechtigkeit vor Rendite‹ schon damals Leitgedanke und Ziel (gwg-bonn.de).

Axel Kapellen, seit Frühjahr 2020 im Vorstand der GWG – die aktuell 1.600 Mitglieder zählt – engagiert, unterschreibt dieses Leitbild immer noch. »Wir sind keine Renditebude«, sagt Kapellen. Vernünftiger Wohnraum zu vernünftigen Mieten, so läuft der Hase in der GWG – ohne den Gier-Igel, der »immer schon da« ist und die Preise in die Höhe treibt.

»Keine Renditebude« bedeutet nun aber nicht, dass die GWG ein Kuschelkreis ist. Eingetragene Genossenschaft zu sein – und sich als solche über Jahre hinweg stabil und erfolgreich zu tragen –, ist ein in vielerlei Hinsicht anspruchsvolles Unterfangen. Das Genossenschaftsgesetz setzt den juristischen Rahmen hinsichtlich der Struktur (Vorstand und Kontrollgremien) sowie Bürokratie (Geschäftsordnung, Geschäftsberichte). Auf administrativer Ebene und im operativen Bereich (die Bestände wollen ja auch in Schuss gehalten sein) ist viel Fachwissen und -kompetenz erforderlich – und das kostet Geld.

Dass die Einlage vergleichsweise niedrig ist, hat mit dem langen Bestehen der GWG zu tun, Genossenschaften, die neu entstehen, müssen Einlagen logischerweise höher kalkulieren. Dass die GWG schon so lange besteht und auch ausweislich des jüngsten Geschäftsberichts ›gesund dasteht‹, hat einiges mit praktischer Professionalität zu tun. Aber auch mit ideeller Konsequenz: Dem Modell Genossenschaft liege ein Gemeinschaftsgedanke zugrunde, der auch hinsichtlich der Einstellung der Mitglieder und Wohnungsnutzer verwirklicht sein will, sagt Kapellen. »Soziale Durchmischung« ist für eine Wohnanlage, ein Viertel zweifellos von Vorteil oder sogar wichtig, sie stellt aber, wenn sie gelingen soll, auch gewisse Ansprüche an ›den Spirit‹ aller: Wer in einer Anlage / einem Viertel miteinander wohnt, sollte die Regeln des Miteinanders akzeptieren und zu pflegen wissen. Das klingt so selbstverständlich, wie es (diese Erfahrung haben wohl alle Mieter und Vermieter schon einmal gemacht) gelegentlich mühsam sein kann, das weiß – und beachtet man auch bei der Wohnungsgenossenschaft Bonn.

Wie sieht die Zukunft aus? Die GWG ist stabil und gut aufgestellt, über Zulauf kann man sich nicht beklagen, zu expandieren ist dennoch nicht (Haupt-)Thema: In Bonn Grundstücke zu bekommen, ist nicht so einfach, das Thema Nachverdichtung ist ein komplexes (und kompliziertes); dennoch möchte die GWG ihre Nachverdichtungspotenziale nutzen und damit einen Beitrag für mehr bezahlbaren Wohnraum in Bonn leisten.  Der Hauptgrund dafür, dass es der Genossenschaft nicht in erster Linie um Wachstum um jeden Preis geht, sondern um Hege und Pflege des vorhandenen ›Stocks‹, liegt aber im erwähnten Prinzip der GWG: Nicht Rendite, sondern vernünftiger Wohnraum zu vernünftigen Mieten.

Dass Bonn davon weit mehr brauchen kann, als aktuell vorhanden ist, daran besteht indes kein Zweifel. Auch Axel Kapellen sieht einen deutlichen Wachstumsmarkt für die Stadt, zudem dürften sich künftig, initiiert durch die Erfahrungen, die man in der Pandemie etwa zum Thema Home Office gemacht hat und noch macht, für den Markt langfristig auch Veränderungen ergeben – sie dürfen gern zum Besseren sein.

 

Die Genossenschaft ist eine Gemeinschaft, die in Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder verfolgt.

Gegenstand unseres Unternehmens ist die Förderung seiner Mitglieder, vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung. Die Genossenschaft führt ihre Geschäfte nach den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit in der Tradition genossenschaftlichen Gedankengutes im Rahmen der Satzung.

Unser Ziel ist es, die Nutzungsgebühren für eine Genossenschaftswohnung auch langfristig bezahlbar zu halten und auch bei Neuvermietungen unterhalb der vergleichbaren Marktpreise zu bleiben. Für den Bezug einer Wohnung schließt die GWG Bonn Dauernutzungsverträge ab. Sie garantieren den Mitgliedern ein lebenslanges Wohnrecht in ihrer Genossenschaftswohnung. Eine Eigenbedarfskündigung ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.

 

(Gitta List)  

 

 

 

Quelle: Schnüss - Das Bonner Stadtmagazin

Ausgabe 10 / 2020 #511

www.schnüss.de

07.10.2020 15:23 Uhr

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